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Klassentreffen
Homepage von Erika und Albert Kollmann
Klassentreffen der Klasse 9a (Abiturjahrgang 1961) am Neuen Gymnasium Nürnberg
Klassenfoto 1953 Aufgenommen im sog. Schulgarten (Im Hintergrund das Opernhaus)
Schulgebäude bis 1959 an der Frauentormauer Nürnberg (Zeichnung M. Jais)
Klassenfoto 1961 Aufgenommen am Eingang des neuen Schulhauses Weddigenstr.
Aus meinen Erinnerungen Das Buch “Erinnerungen”, das ich im Jahr 2001 verfasst habe, hat 183 Seiten. Etwa 30 Seiten davon sind meiner Schulzeit am Neuen Gymnasium in Nürnberg gewidmet. Interessierte Klasskameraden mögen sich bitte an mich wenden. Der erste Schultag 1952 am Neuen Gymnasium Nürnberg Mein neues Schulhaus lag an der Frauentormauer in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofes gleich neben dem dicken Turm des Frauentores und unmittelbar hinter dem Waffenhof (heute auch "Handwerkerhof" genannt). Der Bau, der in seinem unteren Teil aus schweren Sandsteinquadern gefügt war, stammte ursprünglich aus dem Jahre 1889, verlor aber durch Umbauten im Jahr 1939 einiges von seinem ursprünglichen Aussehen und wurde im Jahre 1945 durch Bomben zu einem großen Teil zerstört. Aus der Festschrift des NGN (1989): "... am 21.2.1945 ... stürzte im Gymnasialgebäude durch einen schweren Volltreffer die westliche Hälfte des Treppenhauses ein, wodurch Löscharbeiten außerordentlich erschwert wurden. Da in der folgenden Nacht zahlreiche Phosphorbrandbomben den Dachboden entflammten, entwickelte sich ein Großbrand, den die Schulfeuerwehr nicht mehr beherrschen konnte. ... so daß der Westflügel am 22. Februar mittags hilflos niederbrannte..." Auch noch im Jahre 1952, als ich in das Schulhaus einzog, waren die Kriegsschäden überall zu sehen. Der bis auf die Grundmauern des Erdgeschosses zerstörte westliche Gebäudeteil war für den Unterricht nicht mehr benutzbar, in ihm wurde nach dem Kriege lediglich eine Hausmeisterwohnung eingerichtet. Von dem größtenteils recht und schlecht erhalten gebliebenen Ostflügel ragte der angeschlagene Giebel mit dem abblätternden Putz wie ein hohler Zahn in den Himmel. Von den drei Türbogen des Portals war nur noch einer als Eingang benutzbar, die anderen beiden waren durch Backsteinfüllungen unbegehbar gemacht worden, etliche Fenster waren zugemauert worden, um die Einsturzgefahr zu bannen. In den Sandsteinquadern des Erdgeschosses sah man allenthalben die Spuren von Granaten und Bomben in Form von Einschusslöchern und abgeplatzten Wandstücken. Abbildung links: Der Haupteingang des Neuen Gymnasiums Nürnberg nach dem Angriff 1945 (aus einer Festschrift des NGN zum 100jährigen Schuljubiläum 1989). Abbildung rechts : Der zerstörte West- flügel des NGN (1954). Durch das Tor am Bildrand rechts betrat man die Schule. Die meisten Unter- richtsräume und Klas- senzimmer lagen rechts davon im Ost- flügel (nicht mehr erkennbar). Unser erstes Klassenzimmer lag im ersten Stock und war, wie alle Unterrichtsräume dieser Schule, seltsamerweise nach Norden hin orientiert, weshalb zu keiner Tageszeit auch nur ein einziger Sonnenstrahl auf unsere Bänke fiel. Wie ich erst später erfuhr, lag die Ursache für diese ungesunde und menschenfeindliche Bauweise in einer Bauvorschrift aus dem vorigen Jahrhundert, die besagte, dass man mit diesem vermeintlichen architektonischen Kunstgriff eine "Blendung der Schüler" abwenden müsse. Wenn unsere auf diese Weise geschonten und ungeblendeten Augen trotzdem einmal vom Unterricht abschweiften, so fanden sie dennoch keine gefährliche Ablenkung, denn der Blick aus den vorhanglosen Fenstern fand sein jähes Ende an den steilen, aus eintönigem Backstein gefügten rückwärtigen Brandmauern der Häuser in der Luitpoldstraße. Die Bänke, auf denen wir Platz nahmen, waren als Ganzes mit dem Tisch fest zusammengebaut. Dieser selbst hatte eine schrägliegende Pultfläche, an deren oberem Rand sich bei jedem Schülerplatz noch eine Vertiefung für ein Tintenfass befand. Die Öffnung für dieses Tintenfass konnte mit einem verschiebbaren Deckel verschlossen werden. Tische und Bänke waren von unzähligen Schülergenerationen vor mir bereits zerkratzt, beschrieben und beschnitzt, sie knarzten laut und waren unbequem, aber dennoch erinnere ich mich gerne an diese steinzeitlich anmutenden Bänke. In den ersten Schultagen war für mich alles neu, das Schulhaus, die Mitschüler und natürlich auch die Lehrer. Klassleiter unserer Klasse und zugleich Fachlehrer für Latein, Deutsch und Schönschreiben war Herr Franck, ein junger, dynamischer und pädagogisch sehr fähiger Mann, den ich bald recht schätzen lernte. Seine graumelierten, leicht gewellten Haare fielen nach hinten in den Nacken, er war elegant gekleidet und verstand es ausgezeichnet, uns in die Anfangsgründe des Lateinischen einzuführen. Noch gut kann ich mich daran erinnern, wie er uns unsere ersten lateinischen Sätze: "agricola arat" und "avia narrat" beibrachte. In Mathematik hatten wir Herrn Menhorn, einen weißhaarigen, älteren Herrn mit ausgeprägter Hakennase und einem etwas vorstehenden Kinn. Mit väterlicher Güte und dennoch stets konsequenter Strenge gelang es ihm, auch mir die Mathematik einigermaßen verständlich zu machen. Biologie unterrichtete in unserer neuen Klasse der als Autor eines Erdkundelehrbuches bekannte Dr. Ludwig Bauer. Mit seiner scharfen Nase, seinen leicht fanatisch blickenden Augen und seinen nach hinten gekämmten glatten, schwarzen Haaren hatte er etwas Vogelhaftes an sich. Stets sauste er im Eiltempo in das Klassenzimmer, wobei er sich in den Kurven wie ein Motorradfahrer in die Schräglage begab. Gleichzeitig mit seinem Erscheinen entstand in der Klasse eine angespannte, von Furcht geprägte Atmosphäre. Mit einem lebhaften Schwung landete die Mappe auf dem Pult, und sofort begann der Unterricht, in dem er keinerlei Unruhe aufkommen ließ, der aber auch von hoher fachlicher und wissenschaftlicher Qualität war. Am Ende der Stunde stellte er dann mit einem scharf skandierten "Boch, Seite..." die Hausaufgabe, die im Buch zu lernen war. Unser Erdkundelehrer, Herr Ostler, war da von ganz anderer Natur. Der gemütliche Herr mit dem rundlichen Bäuchlein schaffte um sich stets eine Atmosphäre des Vertrauens und wusste den Unterricht durch allerlei kuriose Erzählungen oft aus seiner Heimat Oberbayern zu würzen. Die moorigen Böden im Moränengebiet des Alpenvorlands machte er uns dadurch unvergesslich, dass er uns von den unerklärlichen Erfolgen der Penzberger Fußballer erzählte. Diese nämlich sollen bei auswärtigen Spielen recht mäßige Fußballakrobaten gewesen sein, die außerhalb Penzbergs fast nie ein Spiel gewannen. Bei Heimspielen jedoch war ihnen der Sieg immer sicher, weil sie als einzige auf dem federnden Moorboden Penzbergs richtig laufen und spielen konnten, während die gegnerische Mannschaft dort stets versagte. Was Herrn Ostler außerdem sehr interessant machte, war der Umstand, dass er behauptete, der Bruder des bekannten gleichnamigen Olympiasiegers 1952 im Bobfahren aus Ohlstadt zu sein, den damals jedes Kind kannte. Als Herr Ostler einmal von uns recht geärgert wurde, teilte er an einige Schüler einen Verweis aus. Aber schon kurz danach bereute er seinen Entschluss, besuchte unsere Klasse im Zeichenunterricht und verkündete, dass er den Verweis erlassen werde, weil er als gutes Mitglied des Tierschutzvereins doch keinem Tiere etwas zuleide tun könne. In Zeichnen hatten wir Herrn Jais, einen betagten, großen und wuchtigen, weißhaarigen Mann, der hoch auf dem Pult thronend in seiner furchtgebietenden Erscheinung dem blitzeschleudernden Göttervater Zeus jederzeit Konkurrenz hätte machen können. Sein Kunstunterricht war geeignet, jedem Schüler Angst und Schrecken einzujagen, dafür aber die Freude am Malen gründlich auszutreiben. Wegen seiner starren Vorschriften über die zu verwendenden Farben und Formen und seiner unflexiblen Vorgabe des Motivs brachten alle Schüler immer wieder nur nahezu das gleiche phantasielose Werk zuwege, für eigene Initiative oder künstlerische Freiheit war kein Raum. Was man sonst nur in Witzfilmen von sturen Paukern her kennt, praktizierte Herr Jais tatsächlich: er schnitt in eine Zeitung ein unauffälliges Guckloch und beobachtete - scheinbar Zeitung lesend durch dieses hindurch die Klasse. Ein weiterer Trick bestand darin, mit abgewandtem Körper die Klasse über einen Spiegel zu beobachten. Wehe dem armen Schüler, der darauf hereingefallen war und sich dazu anschickte, dem Nachbarn vielleicht ein Wörtchen ins Ohr zu flüstern. Mit tosendem Gebrüll sauste auf solche Schüler das Strafgericht nieder, meist nicht nur verbal sondern in Form einer Strafarbeit oder eines Verweises. Tatsächlich erhielt ich einmal in der 2. Klasse von Herrn Jais einen Verweis und zwar aus folgendem Grund: Wir sollten gerade zum Erntedankfest einen Früchtekorb malen. Mein Nachbar Gerhard Spielhagen signalisierte mir leise, dass er eine grüne Farbe brauche, als Jais ihn dabei ertappte. Er sagte "Spielhagen, du erhältst wegen Sprechens einen Verweis!" Gerhard versuchte sich zu rechtfertigen, indem er sagte: "Ich wollte doch nur von meinem Nachbarn Kollmann ein Grün für meine Gurke." Die Reaktion von Jais darauf war: "Kollmann, auch einen Verweis!" Eine willkommene Abwechslung brachte ein junger Lehrer, den wir später einmal für kurze Zeit zur Aushilfe im Zeichnen hatten und dessen Namen ich leider vergessen habe. Vielleicht war er noch Kunststudent, jedenfalls muss er ganz erfüllt gewesen sein von neuen Ideen, mit denen man den Kunstunterricht abwechslungsreicher machen könnte. Als erstes sollten wir sofort unsere bisher benutzten Zeichengeräte abschaffen, stattdessen beschrieb er uns in den schillerndsten Farben, wie er sich unsere Ausrüstung vorstellte: "Ihr braucht große, sogar riesengroße Töpfe, richtige Näpfe für die Farben, damit man ordentlich hineingreifen kann, dazu dicke, kräftige, borstige Pinsel, damit ihr die Farbe nach Herzenslust aufs Papier auftragen könnt." Uns kam das gegenüber den bei Herrn Jais stets sauber gespitzten Buntstiften und den bis dahin nur zaghaft verwendeten Wasserfarben wie eine Revolution vor, die wir halb ungläubig belächelten, halb großartig fanden. Eines Tages kamen in unseren Zeichensaal während des Unterrichts drei Schüler der Oberstufe herein, von denen jeder einen großen schwarzen Kasten unterm Arm trug. Wortlos packte jeder aus seinem Kasten eine gewaltige Posaune aus und nun begannen sie, in den höchsten Tönen und so laut es nur ging, uns ein Lied um die Ohren zu schmettern. Wir wussten nicht, wie uns geschehen war und nachdem die drei ihr Lied zu Ende geblasen hatten, verließen sie ebenso wortlos, wie sie gekommen waren, das Zimmer. Erst jetzt erklärte uns der fortschrittliche Kunstpädagoge, dass wir heute ein Bild von den Trompeten von Jericho malen werden und damit wir uns eine Vorstellung davon machen können, warum damals von dem Getöse die Mauern von Jericho eingestürzt sind, ließ er vor uns die drei Bläser aufmarschieren. Im Fach Religion wurden wir mit den Schülern gleicher Konfession aus der b-Klasse zusammengelegt. Dieses Fach unterrichtete für die Katholiken im ersten Gymnasialjahr wie auch in den folgenden Jahren der Geistliche Rat Edmund Friedrich, der in der Schule allgemein nur "der alte Fritz" genannt wurde. Im Winter wie im Sommer trug unser "Fritz" stets einen schwarzen Anzug, darunter eine schwarze Weste, dazu ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Mit diesem korrekten Äußeren wirkte er wie ein Überbleibsel aus dem vorigen Jahrhundert. Der alte Fritz war ein beleibter Herr, der den Genüssen des Lebens nicht abgeneigt schien. Selbst während der Unterrichtsstunden konnte es passieren, dass er sich zwischendrin für kurze Zeit vor das Klassenzimmer begab und eine Zigarette rauchte. Als wir ihn später einmal danach fragten, ob denn solche weltlichen Genüsse, wie Rauchen, sich mit seinen religiösen Vorstellungen vertrügen, antwortete er, dass der Mensch dazu bestimmt sei, alles zur größeren Ehre Gottes zu tun, und bei ihm gehöre auch das Rauchen dazu. Der geistliche Rat war außerdem in einer katholischen Studentenverbindung, an deren Veranstaltungen er aktiv teilnahm. Der alte Fritz hatte eine recht naive Art des Glaubens, die er auch auf uns zu übertragen versuchte. Intellektuelles Argumentieren war nicht seine Art, es war viel wichtiger die biblischen Geschichten zu lernen und den Katechismus auswendig zu können. In der ersten Unterrichtsstunde nach einem Sonntag fragte er regelmäßig der Reihe nach jeden Schüler, ob er am vergangenen Sonntag in der Kirche gewesen sei, meistens erhielt er natürlich eine positive Antwort. Den Musikunterricht erteilte bei uns Herr Böhland, den ich in meiner gesamten nachfolgenden Gymnasialzeit genoß. Manchmal waren seine Methoden wohl etwas eigenartig, im Ganzen gesehen weckte sein Unterricht aber doch auch die Freude an der Musik. Vor allem hatten seine Aufführungen mit dem Chor und dem Orchester der Schule meist ein recht hohes Niveau. Bereits in der ersten Klasse wählte er mich zusammen mit einigen anderen stimmbegabten Mitschülern für den Chor aus und führte mit uns bei einer Veranstaltung der GrundigWerke eine Musikstunde vor, die auf den damals neuen Tonbandgeräten aufgenommen wurde. Ein Jahr später studierte er mit uns die Krönungsmesse von Mozart ein, die dann in der Klarakirche aufgeführt wurde. Das war für die Möglichkeiten und Mittel einer Schule eine recht beachtliche Leistung. Turnen hatten wir bei Herrn Urbas, der ein wenig farblos und langweilig war und der im Sportunterricht vor allem eine vormilitärische Drillübung zu sehen schien. Antreten, Abzählen, Freiübungen und Rundlauf, viel mehr ist mir davon nicht in Erinnerung. Schwächere Schüler kanzelte er in seinem oberpfälzisch angehauchten Akzent mit der Bezeichnung "Floschä" (= Flasche) ab. Hausmeister der Schule war damals Herr Eckstein. Mit seinem scharf geschnittenen Gesicht und seinem manchmal etwas rüden Ton wirkte er für mich immer etwas angsteinflößend. Außer der Hausverwaltung und dem Pausenverkauf hatte Herr Eckstein in der kalten Jahreszeit auch die Heizung der Klasszimmer zu besorgen. Fast unvorstellbar für heutige Verhältnisse ist, dass jedes Zimmer einzeln mit Öfen geheizt wurde. Die Öffnungen zur Befeuerung befanden sich außerhalb des Zimmers auf dem Gang. Von dort hörte man dann gelegentlich während des Unterrichts das Rütteln der Aschenroste oder das Klappern der Kohleneimer beim Einfüllen der Kohle. Dass die Heizung auf diese Weise nicht gut zu regeln war und dass deshalb die Zimmer oft stark überheizt waren, kann man sich ja leicht vorstellen. Herr Eckstein verstarb zwei Jahre später während der Weihnachtsferien und obwohl (oder gerade weil) unsere Lehrer eisiges Schweigen darüber bewahrten, verbreitete sich schnell das Gerücht, dass es sich um Selbstmord gehandelt habe. Zu spät haben auch wir Schüler verspürt, dass unser Hausmeister ein Mensch mit schweren familiären Problemen gewesen sein muss.